Stellungnahme zum SGB VIII

Die Stellungnahme des FBF NRW e.V. zum Gesetzentwurf zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen in Anhlehnung an die Stellungnahme des Kooperationsverbunds Offene Kinder- und Jugendarbeit

Das Falken Bildungs- und Freizeitwerk NRW e.V., der Dachverband und Interessenorganisation der Trägervereine in der Familie der SJD - Die Falken in NRW begrüßt die Stellungnahmen zum Gesetzentwurf zur Stärkung von Kinder und Jugendlichen seitens des Kooperationsverbunds Offene Kinder- und Jugendarbeit (KVOKJA), sowie dem Deutschen Bundesjugendring (DBJR). Heute möchte wir zu einzelnen Aspekten Stellung beziehen.

Im Rahmen unserer Kampagne „Akku leer – Jugendarbeit braucht Power“ haben wir den besonderen Wert der Offenen Kinder- und Jugendarbeit innerhalb des Sozialraums dargestellt.

Für Kinder und Jugendlichen bieten die Einrichtungen durch ein verlässliches Personal und engagierten Ehrenamtlichen Vertrauen, Unterstützung in schwierigen Lebenslagen und vor allem den meist einzigen freien Raum zur Gestaltung der Freizeit. Damit schließt die Offene Kinder- und Jugendarbeit für viele junge Menschen die Lücke zwischen der Inanspruchnahme von Hilfe und Beratung bei gleichzeitiger Anerkennung der individuellen Persönlichkeit und Wirkmächtigkeit eigener Ideen und (An-)forderungen.

Die pädagogische Praxis der Offenen Kinder- und Jugendarbeit beruht dabei auf den Säulen der Selbständigkeit, der Offenheit, der Diskursivität und der Partizipation. So ist es möglich, dass qualifizierte Fachkräfte flexibel auf Bedarfe von Kinder und Jugendlichen reagieren können. Aufgrund ihrer Authentizität und ihrem Engagement sind Fachkräfte und Ehrenamtliche oft auch wertvolle Ansprechpartner*innen für Eltern oder Nachbar*innen im Stadtteil.

Der Kooperationsverbund Offene Kinder- und Jugendarbeit bemängelt zu Recht, dass der am 12.4.17 durch das Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen eine „[…] stärkere Tendenz zur Bürokratisierung, formalen Absicherung und sowohl staatlichen als auch paternalistischen Bevormundung […] “ aufzeigt. Eine Stärkung von Kindern und Jugendlichen bedeutet aus unserer Sicht vor allem, diese als eigenständige Subjekte wahrzunehmen. Um dies zu gewährleisten gibt es bewusst die Jugendarbeit, auch in Abgrenzung zur Jugendhilfe. Mit dem Gesetzentwurf würde die Offene Kinder- und Jugendarbeit um diese Stärke beraubt werden. Die Unterstützung von jungen Menschen durch Fachkräfte und Ehrenamtliche würde einem noch höheren Verwaltungsaufwand unterstehen und die Besucher*innen als Objekte einer sozialpädagogischen Jugendhilfe reduzieren.

Selbstverständlich ist Kinder- und Jugendschutz für unsere Einrichtung der Offenen Kinder- und Jugendarbeit eine wesentliche Arbeitsgrundlage! Im Rahmen des Bundeskinderschutzgesetztes wurden hierzu alle Konzepte der Einrichtungen in mehr oder weniger partizipativen Diskussions-prozessen mit den Jugendämtern reflektiert und überarbeitet, sodass hier eine Arbeitsbasis entstanden ist. Vielen Jugendämtern war zudem bewusst, dass eine selbstverwaltete Einrichtung dabei anders begleitet werden muss als eine Einrichtung, welche durch Hauptamtliche betreut wird. Der neu eingefügte Paragraph 48b sorgt nun dafür, dass diese gewachsenen Strukturen nochmalig hinterfragt werden. Insbesondere selbstverwaltete Jugendzentren, aber auch die Träger der Einrichtungen mit hauptamtlichen Fachkräften werden ihrer Autonomie beraubt und einem hohen, bürokratischen Aufwand ausgesetzt.

Eine Androhung von Geldbußen führt dazu, dass Ehrenamtliches Engagement wieder einmal erschwert wird. Die Offene Kinder- und Jugendarbeit hat mit zahlreichen Ehrenamtlichen und den hauptamtlichen Fachkräften an vielen Orten zu einem gelingenden Ankommen von Menschen auf der Flucht beigetragen. Die Politik betont, dass wir genau diese zivilgesellschaftlichen Strukturen benötigen. Ehrenamtlich Engagierten sollen Beratungsangebote zur Verfügung stehen, sodass sie angemessen im Rahmen des Kinderschutzes handeln, und eben keine weiteren Restriktionen, die zu Verunsicherung im ehrenamtlichen Handeln führen und im schlimmsten Fall Engagement dadurch verhindert wird.

Das Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen sieht mit dem Entwurf vor, dass Kinder und Jugendliche mehr Beteiligung an den sie betreffenden Entscheidungsinstrumenten haben müssen. Vor Ort sind diese Entscheidungsinstrumente vorhanden, nämlich in unseren Einrichtungen! Mehr Teilhabe und Chancengleichheit können aber nur erreicht werden, wenn Ehrenamtliche und Fachkräfte zeitliche Ressourcen haben und „nah“ an den jungen Menschen sind. Im Rahmen der Kam-pagne „Akku leer – Jugendarbeit braucht Power“ haben die Falkeneinrichtungen in NRW darauf aufmerksam gemacht, was wirklich für eine starke Jugendarbeit und damit für starke Kinder und Jugendliche wichtig ist, nämlich mehr Wertschätzung und Wahrnehmung der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und damit eine wirklich gewollte Stabilität und Verlässlichkeit für junge Menschen.

Erst die Kontinuität der Angebote und ein Vertrauensverhältnis zu den in den Einrichtungen Engagierten machen es möglich, dass Barrieren und Hindernisse bei jungen Menschen überwunden werden. Damit leistet die Offene Kinder- und Jugendarbeit einen aktiven Beitrag zur Chancengleichheit. Zeitliche Ressourcen und genügend Fachpersonal ermöglichen in unseren Einrichtungen auch die Begleitung der Ehrenamtlichen durch die Fachkräfte und die Trägervereine. Umgesetzt wird dies bereits durch Beratungen und Fortbildungen, auch im Rahmen des Kinderschutzes für mehr Sensibilität und Handlungssicherheit in Situationen, in welchen das Wohl des Kindes gefährdet scheint.

Denn: mehr Zeit mit Kindern und Jugendlichen zu verbringen, anstatt bürokratische Hürden zu meistern ist die beste Grundlage für die Stärkung von jungen Menschen! Dies leistet eine Jugend-arbeit, die in Trägerautonomie direkt an den Bedarfen ihrer Besucher*innen anknüpft und nicht - wie es der Tenor des Gesetzesentwurfs oder auch des vorausgegangenen Referentenentwurfs erahnen lässt - unter staatlicher Kontrolle und noch mehr gesetzlichen Regelungen gestellt wird.

Da aber gerade die Offene Kinder- und Jugendarbeit hier immer den Spagat zwischen neuen An-forderungen an sie bei gleichbleibender Finanzierung ohne einen Ausgleich zu Kostensteigerungen leisten muss bedarf es aus unserer Sicht zunächst einer sicheren, stabilen und auskömmlichen strukturellen Absicherung. Solch eine strukturelle Absicherung mit genügend Personal, der Möglichkeit, Qualifizierung und Beratung im Rahmen des Kinderschutzes wahrzunehmen und dies auch Ehrenamtlichen zu ermöglichen befördert den notwendigen sensiblen und am Kind sowie am Ju-gendlichen orientierten Kinderschutz, vor allem auch unter Wahrung der Kinderrechtskonvention.

gez. Paul Erzkamp, Vorsitzender FBF NRW e.V.

i.A. Sabrina Küchler, Referentin Jugendpolitik

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